Archivum Laureshamense – digital: Virtuelles Klosterarchiv Lorsch
Das ehemals bedeutsame Archiv des Klosters Lorsch ist heute, ähnlich wie seine Bibliothek, in alle Winde zerstreut. Urkunden und Archivalien, die u.a. für die Wirtschafts-, Sozial- und Personengeschichte von erheblichem Wert sind, werden in zahlreichen Archiven und Bibliotheken Mittel- und Süddeutschlands aufbewahrt und müssen zum großen Teil erst noch vor Ort identifiziert werden bevor sie den einschlägigen Fächern für eine systematische Forschung zur Verfügung stehen. Dies gilt vor allem für die Zeit des späteren Mittelalters ab 1200 und für die Frühe Neuzeit.
Mit dem Projekt „Archivum Laureshamense“ wird die Absicht verfolgt, parallel zur Virtuellen Klosterbibliothek Lorsch, die erhaltenen Urkunden virtuell zusammenzutragen und damit erstmals eine brauchbare Grundlage für weitere Forschungen, insbesondere zur kaum bekannten Spätzeit des Klosters unter den Prämonstratensern, zur Verfügung zu stellen. Zudem wurden in einem ersten Schwerpunktprojekt die Lorscher Besitzungen durch die Visualisierung der im "Lorscher Codex" genannten Orte auf interaktiven Karten in Raum und Zeit sichtbar gemacht.
Bereits um das Jahr 800 hatte das Kloster Lorsch die größte Ausdehnung seiner Besitzungen erreicht, die von der niederländischen Nordseeküste bis nach Graubünden in heute sechs europäischen Staaten reichten. Wir wissen das, weil im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts das gesamte Klosterarchiv seit der Klostergründung als Exzerptensammlung in Buchform gebracht wurde: Der berühmte „Lorscher Codex“ ist also damit kein Buch im eigentlichen Sinne, sondern ein Archivale, das noch bis in das 15. Jahrhundert hinein zur Klärung von Besitzansprüchen benutzt wurde.
Bislang spiegelte sich also die reiche Überlieferung der Klostergeschichte hauptsächlich zum einen im Lorscher Codex wider, aber auch im Lorscher Kartular, das erst nach der Klosterauflösung im 16. Jahrhundert erstellt wurde. In ihm sind die Texte zu den Rechtsgeschäften, die die Wirtschaftsgeschichte des Klosters vom 13. bis in das 17. Jahrhundert betreffen, enthalten.
Die frühen Urkunden, die mit den Einträgen im Lorscher Codex korrespondieren, sind nicht mehr im Original erhalten. Die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Dokumente werden, wie frühere Forschungen des 19. Jahrhunderts und aktuelle Recherchen erweisen, hingegen noch in größerer Zahl in Adels- und Stadtarchiven oder in Staats- und Kirchenarchiven verwahrt oder sind in edierten Abschriften des 16. bis frühen 20. Jahrhunderts von inzwischen verlorenen Originalen überliefert. Ihre Identifizierung und Digitalisierung bedeutet somit einen entscheidenden Schritt für die Sichtbarmachung der späteren Klostergeschichte von Lorsch.
Das Projekt (Laufzeit 2017-2021) wurde von der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen unterstützt. Die Digitalisierung und die Erstellung der Regesten wurde in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Heidelberg und dem Institut für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde (Prof. Dr. Jörg Peltzer, Professur für Vergleichende Landesgeschichte in europäischer Perspektive [Schwerpunkt Spätmittelalter]) realisiert. Das Georeferenzierungsprojekt zum Lorscher Codex erfolgte in Kooperation mit dem Heidelberger interdisziplinären Arbeitskreis Historical GIS - „The HGIS Club“.